Blog Teil 1: Ursachen der Inflationsdynamik
Vorweg ein oft übersehener Aspekt: Der eigentliche Auslöser des jüngsten Inflationsanstiegs war der Covid-Lockdown* sowie der staatliche „Schuldenwahn“, also das „Gelddrucken“ und die „Niedrigzinspolitik“ der vorangegangen Jahre.
* Coronabedingte Quarantäne- und Lockdown-Maßnahmen: Diese Maßnahmen sowie Hafensperrungen in China und in anderen Regionen der Welt hatten zur Folge, dass das Angebot der Waren zurückging und bis heute noch beschränkt ist. Ist das Angebot aber beschränkt und bleibt die Nachfrage unverändert, kommt es zu einem sogenannten Nachfrageüberhang. Weltweite Lieferengpässe gab und gibt es vor allem bei Zwischenprodukten wie z. B. Chips, Stahl, Holz, Magnesium und Aluminium.
Der Ölpreis stieg bereits im Jahr 2021, hatte doch die OPEC 2020 ihre Ölproduktion gekürzt, um den coronabedingten Verfall des Ölpreises aufzuhalten. Infolge der durch den Covid-Lockdown bedingten Lieferkettenunterbrechung hatten viele Unternehmen ihre Produktion reduziert oder ganz eingestellt, weshalb ihre Nachfrage nach Öl und infolgedessen der Ölpreis sank. Durch die einmal gedrosselte Ölproduktion der OPEC und die schwungartig zurückkommende Nachfrage im Post-Corona-Neustart kam es dann zu einer Ölpreisinflation. Im Jahr 2022 schoss auch der Gaspreis hoch und trieb die Inflation weiter an. Stand heute sind die Gaspreise gegenüber ihrem Höchststand Ende August 2022 wieder unter das Vorkrisenniveau (Anfang Februar 2022) gefallen, weil die Gasmangellage seit Ende des Winterhalbjahrs 2022/2023 gebannt zu sein scheint. Die Gaspreise können sich allerdings mittelfristig wieder verteuern, solange die für LNG-Terminals notwendige Infrastruktur noch nicht ausreichend ausgebaut worden ist.
Zentralbanken auf (Inflationsbekämpfungs-)Kurs
Die Zentralbanken (FED, EZB oder BoE) sind sich sehr wohl im Klaren darüber, dass sie wenig gegen die Angebotsknappheiten, wie sie schon einmal in den 1970er-Jahren auftraten, tun können. Stattdessen versuchen sie durch Zinserhöhungen die Inflation in den Griff zu bekommen und sie zurück auf einen bestimmten Zielwert (FED: ca. 2,5 %, EZB: ca. 2,0 %) zu drücken. (Was die Ursachen für die Inflation betrifft, gibt es strukturelle Unterschiede zwischen den USA und Europa.** In den USA wird die Inflation stark von der Nachfrage getrieben [angebotsgetriebene Inflation], während sie in Europa primär auf gestiegene Energie- und Nahrungsmittpreise zurückzuführen ist.)
Ein Ende der bisherigen Strategie der monetären Straffung ist (noch) nicht absehbar. Beide Zentralbanken (EZB und FED) bekräftigten am 01./02.02.2023 ihre Bereitschaft zu weiteren Schritten der Zinserhöhung. Wie diese genau ausfallen und wann sie erfolgen werden, ist jedoch eine der großen Unbekannten für das Jahr 2023. Mit einer kräftigen Zinserhöhung würde man eine gewisse wirtschaftliche Abschwächung in Kauf nehmen, um die in den Augen der Zentralbanken „überschäumende“ Nachfrage der Wirtschaft zu bremsen, und zwar so lange, bis die Inflation auf besagte Zielwerte gedrückt worden ist. Ebenso gut ist aber vorstellbar, dass die Zentralbanken 2023, wenn auch nur vorübergehend, im Widerspruch zu ihrer bisherigen Politik der Zinserhöhung ein gewisses Maß an Inflation zulassen und an der Zinsschraube nicht so stark drehen werden, wie sie es zuletzt nach den Zentralbank-Sitzungen am 01./02.02.2023 angekündigt haben, um das Wirtschaftswachstum nicht abzuwürgen. Ob und inwieweit man durch Geldpolitik die gegenwärtige Inflation, die überwiegend von Angebotsknappheiten getrieben ist, aber überhaupt herunterzwingen kann, bleibt fraglich.
Das Problem ist, dass die üblichen Timelags in der Geldpolitik (also Verzögerungseffekte) dazu führen können, dass sich Zinsanpassungen in der Realwirtschaft erst nach 6–9 Monaten niederschlagen, also ihre Wirkung erst deutlich später vollständig entfalten, so dass dann beispielsweise verschuldete Unternehmen vermehrt in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
** Die Ursachen für den weiteren Inflationsanstieg in der Eurozone: Speziell in Europa haben wir es mit einer importierten Inflation zu tun, die, so Prof. Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident des Münchner Ifo-Instituts, auf die zögerliche Zinspolitik der EZB zurückzuführen ist. Während sich die Volkswirte der US-Notenbank Fed bereits am 16.06.2021 mehrheitlich für substanzielle Zinsschritte aussprachen, verfolgte die EZB noch Anfang 2022 eine expansive Geldpolitik und entschloss sich erst im Sommer 2022 zu einem zögerlichen Kurswechsel, der nur wenig an der Zinslücke zwischen dem Dollarraum und dem Euroraum änderte und die Kapitalflucht vom Euro in den USD nicht stoppen konnte. Insbesondere die europäischen Zentralbanken hatten das Inflationsproblem unterschätzt und zu wenig im Kampf gegen die Inflation unternommen. Die Kapitalflucht erfuhr einen neuen Schub, als die US-amerikanische FED bereits im Juni 2022 in einer Vorankündigung mitteilte, dass sie eine Zinswende einleite werde. Seit Anfang November 2022 hat sich der Trend zur Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro, der sich seit Anfang Juni 2022 aus der Differenz zwischen amerikanischen und europäischen Leitzinsen ergab, jedoch umgedreht: Mittlerweile hat der Euro gegenüber dem US-Dollar wieder um ca. 9 % aufgewertet (Stand 08.02.2023). Ob sich dieser Trend verfestigen wird, ist ungewiss.
Disclaimer: Wir geben hier grundsätzlich keine gerichtsfesten Prognosen ab. Niemand kann zuverlässig prognostizieren, wie hoch die Inflation in Zukunft tatsächlich sein wird.