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Die Geschichte vom Weihnachtsmann

„Einem Anleger zu sagen, dass er es nie schaffen wird, den Markt zu schlagen, ist ungefähr genauso wirkungsvoll, wie einem sechsjährigen Kind zu erklären, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt“ (Burton Malkiel, US-Ökonom und Autor)

Erinnern Sie sich noch an die Weihnachten Ihrer Kindheit?

Als kleines Kind habe ich mich anfangs nie danach gefragt, woher die Weihnachtsgeschenke eigentlich kommen. Später nahm ich an, dass der Weihnachtsmann sie mir bringt. Einmal schrieb ich einen Wunschzettel an ihn, doch als der Zeitpunkt der Bescherung gekommen war, las ich auf einem Geschenk „Von Oma für Peter“. Ich dachte kurz nach und fasste den Entschluss, von nun an nicht mehr so oft an den Weihnachtsmann zu schreiben. Stattdessen richtete ich meine Wünsche fortan verstärkt an meine Eltern und Großeltern. Und tatsächlich erzielte ich damit ein besseres Ergebnis, weil ich mehr Geschenke bekam – zumindest nahm ich das so wahr.

Nun werden Sie sich wahrscheinlich fragen, was meine Kindheitserinnerungen mit den Kapitalmarktrenditen zu tun haben. So wie ich und wohl auch Sie einst an den Weihnachtsmann glaubten, glauben offensichtlich mehr als 90 % aller Anleger weltweit, dass Finanzberater und Vermögensverwalter so etwas wie die Weihnachtsmänner der Kapitalmärkte sind. Als Anleger wäre man klug beraten, sich von einem derartigen kindlich-magischen Glauben zu verabschieden [und „erwachsen“ zu werden].

Was heißt „aktives Investieren“?

Aktives Investieren ist der Überbegriff für Anlagestrategien, die die meisten herkömmlichen Vermögensverwalter oder Fondsmanager anwenden. Es ist der Versuch, einzelne Wertpapiere oder ganze Asset-Klassen zu identifizieren, die „der Markt“ angeblich nicht zu einem „fairen“ Marktpreis, also preislich „falsch“, d. h. entweder als zu teuer oder als zu billig bewertet. Eine gängige Form aktiven Investierens ist das Market-Timing, bei dem versucht wird, günstige Zeitpunkte für Ein- und Ausstieg bei einem Wertpapier zu bestimmen. Einher geht damit die Annahme, man besäße Informationen, über die die restlichen Anleger bzw. Marktteilnehmer an den Kapitalmärkten (also Millionen von Menschen!) nicht verfügen.

Ein aktives Anlagemanagement hält sich definitionsgemäß für fähig, einzelne Wertpapiere oder Investmentmanager zu identifizieren, die zuverlässig ein „Alpha“ – also eine höhere Rendite als die Marktrendite – erzielen. Es wird behauptet, man könne nach Abzug der anfallenden Kosten und Steuern Börsenindizes wie z. B. DAX, Eurostoxx und Dow Jones schlagen.

Nun verhält es sich aber so: Preise, egal ob für eine einzelne Aktie oder für eine ganze Anlageklasse, werden durch die Gesamtheit der Anleger am Kapitalmarkt gebildet – einer Community, die typischerweise mehrere Millionen umfasst. Diese Preise sind somit korrekt, „falsch“ ist an ihnen gar nichts. Deshalb ist auch die Annahme, man könne eine höhere Rendite als die korrekt definierte Marktrendite erzielen, grundfalsch: Das hieße ja, dass aktive Anleger mehr wissen als der gesamte Markt, also mehr als all die Millionen anderen, die anscheinend alle miteinander dümmer sind als sie.

Wie soll ein Privatanleger oder ein Fondsmanager im Voraus wissen können, wo die Kurse von DAX & Co. morgen um 15:00 Uhr, am 29.12.2021 um 17 Uhr oder am 25.01.2022 um 16:30 Uhr [oder eine andere Uhrzeit nennen] stehen? Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Zinsänderungen, Inflationsraten, Wechselkursveränderungen etc. Wer sollte persönlich dazu in der Lage sein vorherzusagen, ob die Börse in Hongkong oder in den USA morgen steigen wird? Jeder Vermögensverwalter, der kein Scharlatan, sondern ehrlich ist, wird sagen müssen, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Noch einmal zusammengefasst: Alle Anleger als Gruppe bilden den Kapitalmarkt. Um eine höhere Rendite als die Marktrendite zu erzielen, müssten aktive Anleger (der einzelne Anleger) mehr wissen als die Gesamtheit aller anderen Marktteilnehmer. Ein aktiver Anleger geht zwangsläufig davon aus, dass die anderen stets dümmer sind als er selbst.

Statistisch-wissenschaftliche Untersuchungen haben eindrucksvoll belegt, dass es schlichtweg unmöglich ist, die Gewinner von morgen mit einer Treffsicherheit zu identifizieren, die nennenswert über dem statistischen Zufall liegt.

In einem Portfolio bestimmt die Asset-Allokation (die systematische Verteilung des investierten Geldes auf die wichtigsten Anlageklassen) langfristig über 90 % der Bruttorendite und des Risikos eines Anlegerportfolios. Auf welche Einzelwertpapiere, Einzelaktien oder Rohstoffe genau das Geld in einem Portfolio verteilt wird, ist für den langfristigen Erfolg nicht entscheidend. Nur maximal 10 % der Bruttorendite, so empirische Befunde aus der Wissenschaft, sind der aktiven spekulativen Auswahl und Übergewichtung einzelner Aktien (Stock-Picking) zu verdanken. Ebenso wissenschaftlich erwiesen ist, dass der Anteil der Anleger/Fonds, die schlechter abschneiden als ihre Markt-Benchmark, mit  der Länge des Anlagezeitraums zunimmt. Kurzum: Aktive, traditionelle Methoden haben von vornherein niedrige Erfolgschancen.

Ungeachtet dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse verfolgen jedoch mehr als 90 % aller Anleger einen aktiven Investmentansatz, obwohl dieser im Durchschnitt einen negativen Vermögenseffekt nach sich zieht, sprich das Risiko deutlich erhöht und/oder die Rendite senkt, ganz zu schweigen von der nervlichen Belastung, die damit verbunden ist.

 

Betrachtet man unter den vielen einzelnen Anlageklassen nur den Aktienmarkt, dann wird es bei den weltweit ca. 50.000 existierenden Aktien in jedem Zeitfenster sicherlich einige wenige Anleger geben, die über einen langfristigen Anlagezeitraum eine Überrendite erzielten. Aber darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob es irgendjemand auf diesem Planeten gibt, der diese wenigen positiven 20-Jahres-Ausreißer-Gurus bereits im Vorfeld zuverlässig identifizieren konnte. Wasserdichte Belege dafür gibt es dafür bislang nicht. Die „Träumer“, die unbeirrt weiter an den Stock-Picking-und-Market-Timing-Weihnachtsmann glauben, werden auch weiterhin an ihrem aktiven Investmentstil festhalten. Dass institutionelle Anleger größtenteils einen aktiven Investmentansatz verfolgen, braucht einen nicht zu verwundern: Sie verdienen halt so exzellent daran.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit, mit aktivem (= spekulativen) Investieren Schiffbruch zu erleiden, ist höher, als damit Erfolg zu haben.

Angesichts der Möglichkeiten, die es in der Gegenwart gibt oder in der Vergangenheit gab, in Kapitalmärkte und andere Investmentmärkte (Immobilien, Rohstoffe, Kunst etc.) zu investieren, werden Anleger im Nachhinein stets einen Zeitpunkt finden, an dem sich eine Aktie, irgendein Finanzprodukt, irgendeine Asset-Klasse oder irgendeine Strategie besonders lohnte und eine besonders attraktive Rendite abwarf. Rückblickend gilt das schon für heute, den 14.12.2021, die letzten Wochen oder für irgendeinen Zeitpunkt in den letzten 10 oder 50 Jahren. Anleger müssen nur lang genug in den Vergangenheitsdaten graben, um auf solche „Perlen“ zu stoßen. Aber welchen Schluss würde ein rationaler Anleger konkret heute für die Zukunft daraus ziehen? Keinen anderen, als niemals einem aktiven Investmentansatz zu folgen.