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Green Deal?
Nachhaltig und sozial verträglich investieren

Ratingagenturen und Fondsanbieter mit grünen Finanzanlagen haben ein lukratives Geschäftsfeld für sich entdeckt. Sie geben sich oftmals nach außen hin einen grünen Anstrich, weil das „politisch korrekt“ ist.

Warum wir der EU-Taxonomie-Verordnung zu grünen Finanzanlagen eher skeptisch gegenüberstehen

Aus unserer Sicht stellen sich in diesem Zusammenhang zwei grundlegende Fragen:

Erstens: Lassen sich derzeit „grüne“ Portfolios konstruieren, die im Vergleich zu konventionellen Indexportfolios ein vergleichbar gutes Risiko-Rendite-Verhältnis aufweisen?

Zweitens: Wird mit einem nachhaltigen Investmentansatz das von der EU verfolgte Ziel erreicht, nämlich privates Kapital dorthin zu lenken, wo die Wirtschaft es am dringendsten benötigt, um den Umbau zur CO2-Neutralität schneller zu bewerkstelligen?

So, wie die Europäische Kommission die Taxonomieverordnung konzipiert hat, muss man beide Fragen eher verneinen.

Zur ersten Frage:

Ein Grundproblem von ESG-ETF-Fonds ist in unseren Augen, dass nicht mehr der Gesamtmarkt, sondern nur Subsegmente des Gesamtmarkts, also nur ETFs genutzt werden, die ein hohes ESG-Rating aufweisen. Wendet man ESG-Filter-/Ausschlusskriterien auf ein Portfolio strikt an, verliert es an globaler Diversifizierung, was es zu verhindern gilt.

Zur zweiten Frage:

Mit der Taxonomieverordnung wollte die EU ursprünglich den Tansformationsprozess von Unternehmen hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften unterstützen, indem sie es ihnen ermöglicht, sich leichter mit Kapital zu versorgen. Allerdings wird mit den bislang von der EU beschlossenen ESG-Screenings das genaue Gegenteil bewirkt: Es werden nämlich genau diejenigen Unternehmen herausgefiltert, die hinsichtlich des Transformationsprozesses kaum einen oder nur einen geringen Kapitalbedarf haben, weil sie ja schon verhältnismäßig „grün“ produzieren. Unternehmen hingegen, die in dieser Hinsicht einen größeren oder großen Bedarf haben, wie beispielsweise Thyssen Krupp, BASF oder VW, profitieren von den Fördermaßnahmen nicht, weil sie die aktuellen ESG-Rating-Hürden reißen. Privilegiert werden in den ESG-Ratings also Unternehmen, die produktionstechnisch ganz anders aufgestellt sind als klassische Industriebetriebe und aufgrund dessen auch eine bessere CO2–Bilanz vorweisen können (wie z. B. IT- oder andere Technologieunternehmen). Bei solchen Unternehmen ist der Umbau zur Nachhaltigkeit aber weniger dringlich oder nicht im selben Maße erforderlich wie bei „klassisch“ produzierenden Unternehmen. Aber ausgerechnet sie sollen über das ESG-Rating „Kapitalspritzen“ erhalten – während Unternehmen mit einer gegenwärtig schlechteren Nachhaltigkeitsbewertung, aber einem hohen Willen zur Veränderung und folglich einem erhöhten Kapitalbedarf untergewichtet oder ausgegrenzt werden.

Mögliche Reaktionen von Unternehmen mit einem schlechten ESG-Rating

Sollte sich der Trend zur Fremdkapitalbeschaffung über ein günstiges ESG-Rating weiter verstärken, könnte außerdem folgender ungewollter Effekt eintreten: Unternehmen mit einem schlechteren ESG-Rating könnten versucht sein, dieses dadurch zu verbessern, indem sie der Tendenz nach ökologisch schädliche oder sozial beanstandete (und damit riskante) Unternehmensbereiche abspalten, die dann von nicht börsennotierten Private–Equity-Unternehmen (PE) erworben würden, die nachhaltige Kriterien ignorieren. Im Ergebnis würden dann die Sozial- und Umweltstandards der nun abgespalteten Unternehmensbereiche genauso niedrig bleiben wie vorher. Der gut gemeinte „Schuss“ wäre also nach hinten losgegangen.

Die ESG-Kriterien

Ein anderes grundsätzliches Problem sehen wir darin, dass, auch wenn die ESG-Kriterien bei der Zusammenstellung eines (Index-)Fonds gewissenhaft angewendet werden, von außen nur schwer überprüft werden kann, ob sie von den betreffenden Unternehmen auch wirklich eingehalten werden.

Interne Prozesse, also die Art der Geldmittelflüsse und Warenkreisläufe, können aus Anlegersicht ohnehin kaum eingesehen und analysiert werden. Deshalb ist es äußerst schwer bis unmöglich zu beurteilen, ob die Unternehmen/Emittenten wirklich ethisch und ökologisch nachhaltig und sozial verträglich produzieren.

Kommen wir aber zu den von Ratingagenturen aufgestellten ESG-Kriterien selbst. Sie sind äußerst mannigfaltig und gehen in die Hunderte: Werden Steuern fair bezahlt? Wie viele Frauen befinden sich im Aufsichtsrat? Gibt es veganes Essen in der Kantine?

Die Liste könnte beliebig erweitert werden. Nicht geklärt ist, in welcher Hierarchie die jeweiligen ethischen Kriterien zueinander stehen. Wie soll man das wirtschaftliche Gebaren eines Unternehmens ethisch beurteilen, das einerseits eine hohe Frauenquote vorweist, andererseits aber in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit Defizite aufweist, und wie ein Unternehmen, bei dem es sich andersherum verhält? Wie sind hier beide Kriterien zu gewichten? Schlägt das eine Kriterium das andere, oder ist die Erfüllung beider gleichrangig und unerlässlich?

Sicher ist, dass kaum ein Unternehmen der Welt sämtlichen der zahllosen von unterschiedlichen Rating-Agenturen vorgegebenen Kriterien für ein ethisches Wirtschaften gerecht werden kann.

Hinzu kommt, dass Unternehmen in eine arbeitsteilige Weltwirtschaft eingebunden sind. Diese Verflechtung kann vom einzelnen Unternehmer unmöglich bis ins letzte Glied verfolgt oder durchschaut werden. Es stellt sich also die Frage, ob ein Unternehmer für das ethische Fehlverhalten eines anderen Unternehmens, mit dem es zusammenarbeitet oder von dem es beliefert wird, „haftbar“ gemacht werden kann, wenn es um dessen Gebaren nicht weiß und/oder darauf keinen Einfluss nehmen kann.

Der Anleger steht also vor einem Wust an verschiedenen und normativ nicht in eine Hierarchie gebrachten ESG-Kriterien. Er muss sich die Kriterien herausklauben, die für ihn „ethisch-weltanschaulich“ wichtig sind, ohne sich am Ende sicher sein zu können, dass ihnen in Anbetracht der global vernetzten Wirtschaft und der damit verbundenen Intransparenzen auch wirklich Genüge getan wird.

Keine einheitlichen Standards: Der Markt für ESG-Ratings bislang nicht reguliert

Schauen wir uns kurz die Praxis der Ratingagenturen an, die ESG-Kriterien aufstellen, und widmen wir uns dem ersten Buchstaben des Kürzels ESG, „Environmental“. Als Beispiel nehme ich die Ratings von drei Agenturen: Institutional Shareholder Services Inc. („ISS“), MSCI ESG Research Inc. („ESG“) und Sustainalytics.

Nehmen wir aber einmal an, ein Unternehmen produziert mit einem niedrigen CO2-Ausstoß oder produziert Güter, die ihn verringern helfen, und wird dafür auch mit einem hohen ESG-Rating belohnt. Dann ist doch alles „paletti“, oder? Nein, nicht unbedingt. Auch hier lohnt es sich, den jeweiligen Einzelfall unter die Lupe zu nehmen.
 
Nehmen wir das Beispiel Tesla. Tesla mag sich im Unterschied zu einem normalen Autobauer zu einem SRI-Unternehmen (SRI = Socially Responsible Investing) zählen und auch von außen so beurteilt werden. Folgte ein Verbraucher den hohen Ratingkriterien von MSCI für dieses Unternehmen, müsste er seinen VW verkaufen und stattdessen einen Tesla kaufen: Ein Tesla scheint von der CO2-Bilanz erst einmal besser zu sein als ein VW. Andererseits kaufte Tesla Bitcoins, deren Schürfung durch Bitcoin-Serverfarmen jährlich für einen Ausstoß von 22 bis 22,9 Millionen Tonnen CO2 sorgen, was keine Kleinigkeit ist.
 
Insgesamt gesehen stellt jede Ratingagentur andere ESG-Kriterien auf, sodass ein und dasselbe Unternehmen oftmals komplett unterschiedliche Nachhaltigkeitsratings erhält (siehe hierzu nur eine von vielen Quellen: https://www.researchaffiliates.com/en_us/publications/articles/what-a-difference-an-esg-ratings-provider-makes.html).ESG-Ratings sind widersprüchlich und nicht einheitlich.

Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich an?

Unserer Ansicht nach gewährleistet die globale, stark verflochtene Marktwirtschaft mit ihrer Innovationskraft und ihrem Wettbewerbsdruck, dass sich am Ende ethisch und ökologisch nachhaltig und sozial verträglich produzierende Unternehmen durchsetzen werden. So sind beispielsweise umweltfreundlichere Produktionsweisen in Deutschland primär der Innovationskraft der Marktwirtschaft zu verdanken und nicht irgendwelchen Ratingagenturen oder Anlegern.

Diejenigen Unternehmen, die Umweltvorgaben oder bestimmte Sozialstandards nicht einhalten, werden aufgrund des gesellschaftlichen Drucks, vor allem aber wegen zunehmender staatlicher Regulierungen erhebliche Kosten auf sich zukommen sehen.

ESG-Kriterien sollten m. E. von einer interessefreien und neutralen Instanz, also dem Staat, und nicht von einem Index-Provider oder einer Kapitalverwaltungsgesellschaft aufgestellt werden, die das Vergeben von Ratings zu einem lukrativen Geschäftsmodell gemacht haben.

Am Ende entscheidet in einer Marktwirtschaft stets der Verbraucher/Konsument mit seiner Nachfrage und nicht der Anleger, eine Ratingagentur oder ein Fondsmanagement darüber, ob das Geld in nachhaltige Investments gelenkt wird.

Eine Studie, die im November 2021 vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung herausgegeben wurde, unterstreicht unsere auf wissenschaftlicher Basis getroffenen Einschätzungen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass grüne Finanzanlagen den Fluss von Investitionen seitens des Staates oder von Unternehmen kaum oder nur gering messbar in die Richtung eines nachhaltigeren Wirtschaftens lenken. Überdies weisen die ESG-Ratings laut dieser Studie methodische Schwächen auf, die bislang weder für den Anleger noch für unsere Gesellschaft insgesamt einen nachhaltigen Nutzen erzielen (https://safe-frankfurt.de/de/policy-center/publikationen/detailsview/publicationname/a-primer-on-green-finance-from-wishful-thinking-to-marginal-impact.html).